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Minute 15



André Rouvière

Nachdem wir nun von dem Vorhaben der beiden Tunichtgute Henri und Rodolphe erfahren haben, sich an die junge Henriette heranzumachen, wenden sich die beiden dem Beutestück zu, welches ihr Köder sein soll.

Wie um einen Schatz streiten die beiden in dieser Szene um den Hut von Henriette. Henri scheint, wie so oft im leben vorher, dabei wieder der zurückhaltende und gegen den forschen Rodolphe der unterlegene zu sein. Nachdem die Rangfolge fürs Erste wieder geregelt scheint und der Hut an Rodolphe geht, beginnt dieser mit einem kindlichen Abzählreim. „Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...“ Die Unschuld der Landbevölkerung, wie sie besser nicht hätte ausgedrückt werden können. Es wird klar, die beiden Tagediebe handeln nicht in böser oder gar feindseliger Absicht. Nein, die Städter bieten eine willkommene Abwechslung im sonst so einfachen Leben der Landbevölkerung. Das ganze ist nur ein Spiel, ein Spaß...

Henri lässt sich ins Gras sinken und genießt seine Zigarette. Das Leben kann so schön sein. Sogar das Spiel mit den Städtern ist er bereit für seine Ruhe und Zufriedenheit zu opfern. Aber Rodolphe wirft ein: „Nach einer Viertelstunde wird dir langweilig sein!“ Und dieser Einwurf macht uns klar: Henri stellt seine Ruhe nur zum Schein dar. Er war unterlegen im Streit um den Köder (Hut), also wird er auch unterlegen sein, wenn es um die Beute (Henriette) geht. Henri zweifelt, in Erwartung einer erneuten Niederlage gegen Rodolphe, an der Richtigkeit seines Handelns.

Wir verlassen die beiden und auch die Kamera löst sich aus der bis dato eingehaltenen Starre. Ein Schwenk über die Landschaft lässt uns noch einmal tief durchatmen. Auch dass uns Henri und Rodolphe bereits jetzt ankündigen, dass es noch ein Unwetter geben wird, lässt uns noch nicht erschrecken. So richtig will da jetzt im schönsten Sonnenschein doch noch keiner dran denken. Oder sind das wirklich dunkle Gewitterwolken dort am Horizont.

Hat Henri gar die Ahnung, dass aus dem lustigen Spiel gar bitterer Ernst werden kann? Erwartet der Zuschauer doch noch eine Tragödie in dieser scheinbar so idyllischen Umgebung. Henri, so wird uns in dieser Szene klar, ist der Klügere der Beiden, aber auch der Nachdenklichere und somit der vorsichtig Zögernde. Zum Schluss noch eine kleine Spitze an seinen Freund Rodolphe: „Du kannst eine Abkühlung gut gebrauchen!“ Gut gemacht Henri, wehr dich gegen den dreisten Rodolphe. Nutz deine Stärken. Redegewandtheit zeugt von Intelligenz.

Mal sehen was die Dufours dazu zu sagen haben. Ah, da sind sie ja. Am Bootsunterstand angekommen. Und schon endet die Idylle. Die Musik klingt aus und das grelllaute Stimmengewirr der Städter setzt ein.

Papa Dufour im Vordergrund nimmt eine dominant hockende, wissensvermittelnde Position – à la mach mal Platz, ich kenn mich aus – ein. Henriette und Mama leicht gebeugt und interessiert dahinter. Anatole mal wieder am Rand der Gruppe, zappelt hin und her. Dieses Verhalten kennt man doch nur zu gut von Kindern, die nach Aufmerksamkeit buhlen.

Wir erfahren, dass das Boot schnell sein muss, und dass man lieber ein guter Schwimmer sein sollte. Das natürlich beeindruckt den treudoofen Anatole so sehr, dass dieser sicherlich keine Bootstour unternehmen würde. Von Papa Dufour erfährt man natürlich, dass er ein guter Schwimmer ist. Na gut, war. Er hat ja schließlich keine Zeit zum Schwimmen gehen, muss sich ja ums Geschäft kümmern.

Henriette ist mit ihrer Neugier und ihrer bisher gezeigten Begeisterung für das Landleben quasi schon mit einem Fuß im Boot. Sie erkundigt sich interessiert beim schier allwissenden Papa nach den Details. Wozu mag bloß diese Halterung in der Mitte des Bootes sein? Aber bevor M. Dufour den Nutzen einer Ruderhalterung – auch Dolle genannt – näher bringen kann, endet die Minute 15 von Partie de Campagne. Und so bleibt es der Minute 16 vorbehalten, uns näher an die Doppeldeutigkeit des französischen Wortes für Dolle heranzuführen.

Ich darf meine Wiedergabe der Minute 15 damit beenden, dass wir etwas mehr über Henri und Rodolphe gelernt haben, aber die Rollen der Städter nur weiter betont, aber nicht entwickelt wurden.

Auch lohnt es leider nicht über Kamera und Musik ausführlicher zu berichten, da beides mit den wenigen Worten im Text weiter oben abgehandelt werden konnte.